Public Health Index 2025
Deutschland weist große Lücken im Gesundheitsschutz auf
Deutschland setzt zentrale Maßnahmen zur Krankheitsvermeidung kaum um und liegt im europäischen Vergleich deutlich zurück – mit spürbaren Folgen für die Versorgung.
Veröffentlicht:
Auch in der Kategorie Alkoholkonsum ist Deutschland Schlusslicht. Auffällig ist dabei vor allem die nahezu permanente Verfügbarkeit alkoholischer Getränke.
© Syda Productions / stock.adobe.com
Deutschland verfehlt bei der Umsetzung wissenschaftlich empfohlener Präventionsmaßnahmen die meisten Standards. Das zeigt der Public Health Index (PHI) 2025, den AOK-Bundesverband und Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) in diesem Jahr erstmals vorgestellt haben. Trotz hoher Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben bleibt der gesundheitliche Ertrag hinter dem anderer Staaten zurück.
Der PHI vergleicht Tabak-, Alkohol-, Ernährungs- und Bewegungspolitik. Er zeigt außerdem, dass chronische Erkrankungen im Land bereits heute stark verbreitet sind: Etwa die Hälfte der über 65-Jährigen leidet an mindestens zwei nichtübertragbaren Erkrankungen – ein Wert, der deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt.
Treiber sind vor allem Adipositas und Diabetes
AOK-Bundesverbandschefin Dr. Carola Reimann sprach von einem „höchst unzureichenden“ Befund. Besonders bedenklich sei die Entwicklung jüngerer Erwachsener, die mehr Jahre mit beeinträchtigter Gesundheit verbringen als die Generation davor. Treiber seien vor allem Adipositas und Diabetes, also Erkrankungen, die schon heute das Versorgungsgeschehen prägen.
Sie betonte: „Prävention ist nicht nur Privatsache oder eine Frage der Eigenverantwortung, sondern muss politisch umfassend betrachtet werden.“ Der Public Health Index im Einzelnen:
Tabak: Bewertungsgrundlage ist die Tabakkontrollskala mit den besonders stark gewichteten Indikatoren Zigarettenpreis und rauchfreie Umgebung. Deutschland erreicht hier nur wenige Punkte: Der Steueranteil am Zigarettenpreis liegt mit 64,5 Prozent unter der von der WHO empfohlenen Marke von 75 Prozent, und es bestehen zahlreiche Ausnahmen von rauchfreien Räumen, insbesondere in der Gastronomie und an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen. Werbung am Verkaufsort ist umfassend zulässig, neutrale Verpackungen sind nicht vorgeschrieben.
Alkohol: Dafür nutzt der PHI die modifizierte Bridging-the-Gap-Skala (BtG-M-Skala) mit sieben Bereichen von Verfügbarkeit über Altersgrenzen und Werbung bis zur Besteuerung. Auffällig sind die nahezu permanente Verfügbarkeit alkoholischer Getränke hierzulande, niedrige Steuern im EU-Vergleich sowie vergleichsweise großzügige Werbemöglichkeiten. In der Summe zählt die Bundesrepublik auch in dieser Kategorie zu den Schlusslichtern.
Ernährung: Hier werden sechs Maßnahmen bewertet – darunter Steuern auf zuckerhaltige Getränke und stark zucker-, fett- oder salzreiche Produkte, eine gut verständliche, verbindliche Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite, verbindliche Werbebeschränkungen zum Schutz von Kindern sowie verbindliche Standards für Schulverpflegung. Von diesen Maßnahmen hat Deutschland nach PHI-Analyse keine einzige flächendeckend umgesetzt und erreicht damit null von sechs möglichen Punkten.
Bewegung: Die neu entwickelte Skala zur Bewegungspolitik umfasst vier Bereiche – aktive Gesellschaften, aktive Umgebungen, aktive Menschen und aktive Systeme – mit insgesamt 38 Indikatoren, etwa zu Rad- und Fußverkehrsplänen, Schulsport, Bewegungsangeboten in Lebenswelten sowie Öffentlichkeitskampagnen. Die Datengrundlage beruht auf Angaben der nationalen Regierungen im WHO-Bericht zur körperlichen Aktivität. Der PHI verortet Deutschland hier im Mittelfeld.
Konsequenzen für die Versorgung
AOK-Präventionsexperte Oliver Huizinga hob hervor, dass Deutschland gerade jene Maßnahmen nicht umsetzt, „die nachweislich am stärksten wirken“ – etwa Preisregulierung, Einschränkungen der Verfügbarkeit und Werbung oder verbindliche Standards für gesundheitsförderliche Ernährungsumgebungen. DKFZ-Vorstand Michael Baumann betonte die Bedeutung der Ergebnisse für die Krebsprävention: „Wirksame Gesundheitsprävention kann viel menschliches Leid verhindern und gleichzeitig enorme volkswirtschaftliche Kosten einsparen.“ Rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen seien lebensstilbedingt.
Der PHI beschreibt außerdem, dass die demografische Alterung in den kommenden Jahren zu deutlichen Ausgabensteigerungen im Gesundheits- und Pflegebereich führen wird. Zudem warnen die Autoren, dass das bisherige präventionspolitische Zögern Lebensjahre und Lebensqualität kostet und die Finanzierung des Gesundheitssystems belastet. Der nächste Public Health Index erscheint 2027.
Der Public Health Index 2025
- Der Public Health Index (PHI) misst erstmals, wie europäische Länder wissenschaftlich empfohlene Maßnahmen zur Förderung gesunder Lebensweisen umsetzen.
- Im Mittelpunkt stehen die Handlungsfelder Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung. Der Index vergleicht dafür die Präventionspolitiken von 18 Ländern aus Zentral- und Nordeuropa.
- Der PHI 2025 steht zum kostenfreien Download bereit unter: https://www.aok.de/pp/public-health/index/


