Gesundheitsdaten
Finnland und Frankreich gehen voran
Nicht nur die EU-Kommission, auch die EU-Mitgliedsstaaten müssen aktiv werden, wenn Gesundheitsdaten für die Forschung besser zugänglich sein sollen.
Veröffentlicht:Wir sind immer noch zu sehr auf Datenschutz fokussiert und zu wenig auf den Nutzen, den Gesundheitsdaten bringen können“, sagte Markus Kalliola von SITRA, dem staatlichen finnischen Innovations-Fonds. SITRA war maßgeblich an der Konzeption des finnischen Gesundheitsdatenraums beteiligt, der eine Blaupause für den Europäischen Gesundheitsdatenraum ist. Der Innovations-Fonds koordiniert auch die Joint Action Towards the European Health Data Space (TEHDAS), eine im Februar 2021 gestartete, EU-weite Task Force mit Experten aus 25 EU-Mitgliedsstaaten, die die EU-Kommission in Sachen Gesundheitsdatenforschung berät.
Im Rahmen des finnischen Gesundheitsdatenraums erhalten Forscher, Statistiker und Public Health-Experten umfangreichen Zugriff auf reale, anonymisierte oder pseudonymisierte Versorgungsdaten, die nicht nur aus Registern aller Art, sondern vor allem auch aus der in Finnland flächendeckend genutzten elektronischen Patientenakte stammen. Diese medizinischen Daten werden mit Sozialdaten und Melderegisterdaten zusammengeführt, was gerade im Public Health Kontext sehr wertvoll sein kann.
Um einen so umfangreichen, forschenden Datenzugriff unter Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu ermöglichen und die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen, wurde für den finnischen Gesundheitsdatenraum nach intensiven öffentlichen Diskussionen eine eigene zuständige Behörde gegründet, Findata genannt. Grundlage sei ein Gesetz aus dem Jahr 2019 gewesen, so Findata-Direktorin Johanna Seppänen. Findata agiere als Dienstleister, der Anträge von privaten und öffentlichen Institutionen auf Datennutzung prüfe, für Anonymisierung oder Pseudonymisierung sorge und die Daten dann in einer gesicherten Umgebung online zugänglich mache. „Die Forschung ist dadurch viel weniger zeitaufwändig geworden, und auch die Datenqualität hat sich verbessert“, so Seppänen.
Ein zweites EU-Land, das den Aufbau eines eigenen Datenraums für die Gesundheitsforschung schon konkret in Angriff genommen hat, ist Frankreich. Einen Überblick gab Dr. Emmanuel Bacry, Chief Scientific Officer des Ende 2019 ins Leben gerufenen, französischen Health Data Hub HDH. Ziel sei zunächst einmal gewesen, eine gemeinsame Eintrittspforte zu mehreren Dutzenden unterschiedlichen medizinischen Registerdatensätzen zu schaffen, so Bacry. Darunter sind sehr umfangreiche Datensätze wie der SNDS-Datensatz, der aktuelle Versorgungsdaten enthält. Forscher aus der gesamten EU können Projekte beantragen und erhalten dann geschützten Zugang: „Dabei können die unterschiedlichen Datenbanken miteinander verknüpft werden“, so Bacry. Der französische HDH soll künftig auch als Zugangspunkt für Abfragen im Rahmen des EHDS dienen, und die Franzosen sind in die beratenden Aktivitäten von TEHDAS eng eingebunden.
Neben Frankreich und Finnland haben sich auch die Niederlande, Portugal und Großbritannien auf den Weg in Richtung eines Ausbaus der Gesundheitsdatenforschung gemacht – teilweise unter Einbeziehung der industriellen Forschung. Eine umfangreiche Übersicht haben die Analysten von Empirica kürzlich im Auftrag des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) erstellt. Insgesamt müssten die europäischen Datenraumprojekte bestmöglich aufeinander abgestimmt werden, betonte TEHDAS-Sprecher Kalliola. Governance-Strukturen und infrastrukturelle Rahmenbedingungen müssten so gestaltet sein, dass nicht nur nationale, sondern auch grenzüberschreitende Analysen unkompliziert möglich werden.
Weitere Informationen:
Empirica Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung mbH; Stand und Perspektiven der Gesundheitsdatennutzung in der Forschung; https://www.vfa.de/download/studie-gesundheitsdatennutzung-in-der-forschung