Seltene Erkrankungen – häufiger als man denkt
Wenn man auf Anhieb nichts findet, ist es nicht immer die Psyche
Wird zunächst keine körperliche Ursache gefunden, werden Patienten mit unerkannten oder seltenen Erkrankungen oft in die „Psychokiste“ gesteckt – mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen.
Veröffentlicht:Schon während der zermürbenden Zeit ohne klare Diagnose gesellen sich bei vielen Patienten mit seltenen Erkrankungen psychische Belastungen zu den komplexen körperlichen Beeinträchtigungen hinzu. Ist die Diagnose gestellt, fehlt leider oft eine kausale Therapie und es gilt, ein Leben mit einer chronischen Erkrankung zu meistern – eine weitere Herausforderung. Während es in der Psychoonkologie schon lange selbstverständlich ist, die psychischen Belastungen strukturiert zu erfassen und im Rahmen einer umfassenden Betreuung mitzubehandeln, ist dies bei Patienten mit seltenen Erkrankungen eher die Ausnahme. Lobenswert ist hier die vom G-BA geförderte ZSE-DUO Initiative, die sich genau dieser Herausforderung stellt.
Eine Vorkämpferin und Wegbereiterin für eine umfassende Patientenversorgung ist Dr. Beate Kolb-Niemann, stellvertretende Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) am Standort Marburg. Sie ist Gründungsmitglied des Marburger Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE). Ihre Mission ist es, das Bewusstsein für die psychosoziale Dimension komplexer Erkrankungen zu stärken und eine umfassende Therapie zu etablieren. Ihr Plädoyer: Die psychosoziale Dimension von Anfang an im Sinne einer Simultandiagnostik und -therapie einbeziehen. Eine psychische Diagnose, wie „somatoforme Störung“, dürfe nicht vergeben werden, nur, weil bisher keine somatische Ursache gefunden wurde. Zudem dürfe die somatische Diagnostik nicht eingestellt werden, wenn auf Anhieb nichts zu finden war. Noch ist das immer wieder der Fall – sehr zum Leidwesen der Patienten.
Der Podcast ist eine gemeinsame Produktion von Takeda, Springer Medizin und ASK Berlin unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Jürgen R. Schäfer, Universitätsklinik Marburg.