„ÄrzteTag“-Podcast

Ein Regress über eine dreiviertel Million Euro – wie kann das heute noch passieren, Frau Vogtmeier?

Immer wieder heißt es, die großen Regresse für Arztpraxen seien Geschichte – doch es gibt Ausnahmen. Wie es immer noch zu sechsstelligen Summen kommen kann und wie Ärztinnen und Ärzte eine solch dramatische Situation vermeiden können: Darüber spricht Rechtsanwältin Katharina Vogtmeier im aktuellen „ÄrzteTag“-Podcast anhand eines aktuellen Gerichtsverfahrens.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Podigee Um mit Inhalten aus Podigee und anderen sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Milde und Juristen – das passt offenbar nicht immer zusammen: Zu einem Regress von fast 750.000 Euro hat das Sozialgericht Dortmund eine Psychiaterin verurteilt, nachdem Verordnungen der Praxis über Jahre hinweg nur mit einem Paraphenstempel oder einem Unterschriftenstempel versehen worden waren. Damit verstieß die Fachärztin gegen die Regeln des Bundesmantelvertrags Ärzte, dass Verordnungen eigenhändig vom Arzt oder von der Ärztin unterschrieben werden müssen. So weit, so juristisch wenig spektakulär. Aber muss es dann, wenn doch die Verordnungen am Ende von den Patientinnen und Patienten eingelöst worden sind und ein echter Missbrauch nicht feststellbar ist, tatsächlich zu so einer hohen Regress-Summe kommen, die tatsächlich den Ruin der Ärztin bedeuten könnte?

Im „ÄrzteTag“-Podcast erläutert Katharina Vogtmeier, Fachanwältin für Medizinrecht bei der Kanzlei D+B Law in Berlin, warum ein solcher formaler Fehler, ohne dass den Krankenkassen ein Schaden auch nur in annähernder Höhe entstanden wäre, zu sechsstelligen Regressen führen kann. Die Krankenkassen hätten „etwas gezahlt, was sie, streng genommen, nicht hätten zahlen müssen“, die Juristen sprechen laut Vogtmeier hier von einem „normativen Schaden“.

Hören Sie auch

Die Rechtsanwältin berichtet im Podcast über Diskussionen in der Literatur, ob die Krankenkassen nicht die eingesparten Summen durch die nicht bezahlten Verordnungen aufrechnen lassen müssten – vor Gericht, so Vogtmeier, sei dies aber noch nicht durchgefochten worden. Auch warum die mittlerweile geltende Differenzbetrachtung bei der Schadenermittlung für den Fall der Fachärztin für Psychiatrie nicht gegriffen hat, diskutiert Vogtmeier. Im Gespräch geht es auch darum, inwieweit körperliche Gebrechen, die die Psychiaterin vorschützte, ein solches Vorgehen mit Unterschriftenstempel entschuldigen könnten.

Ein normativer Schaden kann für die Krankenkassen auch durch andere formale Fehler entstehen. Im Podcast erläutert die Fachanwältin, warum auch bei Kooperationen Regresse in ähnlicher Höhe drohen, wenn formale Fehler gemacht werden – und wie diese vermieden werden können.

Und ist das Urteil in der aktuellen Zeit überhaupt noch relevant, in der E-Rezepte längst mit digitaler Signatur rausgehen? Auch hier hat Vogtmeier eine Antwort parat: Zum einen seien noch nicht alle Verordnungen digital, zum Beispiel Hilfs- und Heilmittelverordnungen oder BtM-Rezepte. Im Gespräch beschreibt sie zudem eine Vorgehensweise zur vermeintlichen Arbeitsentlastung, die Ärztinnen und Ärzte teuer zu stehen kommen kann. (Dauer: 25:26 Minuten)

SG Dortmund, Urteil vom 18. September 2024: Az.: S 16 KA 3/24

Lesen sie auch
Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Was bringen die neuen Hybrid-DRG für die Praxis, Herr Henniger?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Dr. Manfred Stapff 28.07.202515:25 Uhr

Wenn im Konflikt zwischen Formalitäten und medizinischer Notwendigkeit die Form (Unterschrift-Stempel) über die Medizin gewinnt, und dies dann noch zu so hohen Regressforderungen führt (ohne dass es einen tatsächlichen Schaden gegeben hätte), dann ist dies absurder als es sich Franz Kafka hätte ausdenken können.
Interessanter Parallelfall: Während Joe Biden's Präsidentschaft wurden mehr als die Hälfte der Dekrete in den USA nicht handschriftlich von ihm unterzeichnet, darunter ein Begnadigungsdekret für Tausende von Kriminellen. Über die Gültigkeit dieser Amtshandlungen (die tatsächlich signifikante Konsequenzen hatten) wird derzeit gestritten.

Sonderberichte zum Thema
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Kommen die Kröpfe zurück nach Deutschland?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse