Jahresbericht 2023
Das IQWiG hat die Generierung guter Evidenz auf der Agenda
Das IQWiG will sich verstärkt für die Generierung guter Evidenz einsetzen, um den Weg für gute Studien zu ebnen. Auch das Thema Künstliche Intelligenz nimmt das Institut in den Blick.
Veröffentlicht:Köln. Für das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wird das Thema Künstliche Intelligenz (KI) künftig eine stärkere Rolle spielen. Das Institut hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Thema gegründet. „Diese Arbeitsgruppe wird die Entwicklung der KI im medizinischen Bereich verfolgen und uns darauf vorbereiten, in naher Zukunft medizinische Technologien zu bewerten, die KI-Elemente enthalten“, berichtet IQWiG-Leiter Dr. Thomas Kaiser in einem Interview im Jahresbericht 2023.
Kümmern soll sich die Arbeitsgruppe aber auch um die Nutzung der Technologie im Arbeitsumfeld des IQWiG, beispielsweise bei Übersetzungen oder in der Informationsbeschaffung. „Da werden wir up to date bleiben“, verspricht er.
Kaiser steht seit April als Nachfolger von Professor Jürgen Windeler an der Spitze des Kölner Instituts. Er will künftig im IQWiG das Thema Studiendesign beziehungsweise die Generierung guter Evidenz noch stärker in den Mittelpunkt stellen. Gute Studien seien die Voraussetzung für gute Entscheidungen und wichtig für die IQWiG-Bewertungen. „Es ist zu kurz gegriffen, vorrangig vorhandene Studien zu kritisieren und zu sagen, dass ‚weitere Forschung notwendig‘ ist“, führt er aus.
Das Ziel sind gute, machbare und zielgerichtete Studien
Der IQWiG-Leiter sieht es als Aufgabe der evidenzbasierten Medizin und damit auch seines Instituts, Wege zur Evidenzgenerierung aufzuzeigen, die zu guten, aber auch machbaren und zielgerichteten Studien führen sollen. „Das ist bislang aus meiner Sicht noch nicht ausreichend der Fall.“ Kaiser kündigt an, dass sich das IQWiG deshalb früher und stärker mit seiner Expertise einbringen will, und zwar sowohl national als auch international.
Positionieren will sich das IQWiG nach seinen Angaben auch beim Thema europäische Nutzenbewertung, die im kommenden Jahr bei onkologischen Arzneimitteln starten soll. Die Vermeidung von Doppelarbeit auf europäischer Ebene und eine europaweit gute Versorgung seien gute Ziele, sagt Kaiser. Gute Versorgung bedeute dabei aber nicht, jedes neue Arzneimittel so schnell wie möglich in die Versorgung zu bringen.
Für Kaiser muss es um etwas anderes gehen: „Arzneimittel, die einen Fortschritt darstellen, also einen Zusatznutzen gegenüber der etablierten Therapie haben, stehen zu den jeweils national darstellbaren Preisen so schnell wie möglich zu Verfügung.“ Leider sei genau dieses Prinzip in der Regulierung nicht verankert worden, kritisiert er.
175 wissenschaftliche Bewertungen im Jahr 2023
Die gemeinsame Bewertung sei ein guter Start. „Aber langfristig sollten wir den europäischen Gedanken auch beim Zugang zu Arzneimitteln mit Zusatznutzen verankern und nicht auf halbem Weg stehen bleiben“, fordert Kaiser.
Im Jahr 2023 hat das IQWiG, das am Jahresende 286 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte, insgesamt 175 wissenschaftliche Bewertungen abgeschlossen. Darunter waren 88 Dossierbewertungen und 30 Addenda, 22 Dossierbewertungen zu Orphan Drugs, 20 Evidenzberichte, neun Berichte sowie sechs Potenzialbewertungen und sechs Addenda.
Bei den Dossierbewertungen kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in 65 Fällen zu dem Ergebnis, dass ein Zusatznutzen nicht belegt ist. Jeweils sieben Mal stellten sie einen erheblichen und einen beträchtlichen Nutzen fest, fünf Mal einen geringen und vier Mal einen nicht quantifizierbaren.
Unbefriedigende Situation bei Potenzialbewertungen
Seit 2013 bewertet das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G–BA) Dossiers von Herstellern – insbesondere von Medizinprodukte-Herstellern – wenn neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden noch keinen Nutzen, aber Potenzial erkennen lassen. Bis Mitte 2023 hat es insgesamt 46 solcher Potenzialbewertungen erstellt, zuzüglich Addenda zu 59 Indikationen. „In gut der Hälfte der bewerteten Methoden auf Basis der Herstellerunterlagen stellte das Institut ein Potenzial fest, wobei der GBA in der Regel der IQWiG-Empfehlung folgte“, heißt es im Jahresbericht.
Die Ergebnisse zeigen nach Einschätzung des Instituts, dass sich die Potenzialbewertungen als „Bewertungspfad“ im nicht-medikamentösen Bereich bewährt hätten. „Da aber bisher keine einzige daraus resultierende Erprobungsstudie und keine aussetzungsbegründende Studie abgeschlossen wurden, stellt sich die Frage nach den Ursachen und gegebenenfalls der Notwendigkeit von Nachjustierungen.“
Das Jahr 2024 wird kein Jahr wie jedes andere für das IQWiG. Das Institut feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum und wird im Herbst innerhalb Kölns umziehen.