EvidenzUpdate-Podcast
Epidemiologie als Imperativ und die Medikalisierung der Gesellschaft
Wie weit darf Früherkennung gehen, wann wird sie zur Medikalisierung? Und was erwartet uns bei den wunderbaren „Abnehmspritzen“? Teil zwei der Jahreswechsel-Episoden vom „EvidenzUpdate“-Podcast.
Veröffentlicht:In Teil 2 unserer Jahreswechsel-Episoden beschäftigen wir uns unter anderem mit Screenings, Früherkennung und „Vorsorge“. Denn das Thema hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für 2024 auf der Agenda: die Lipid-Screenings bei Kids, unter anderem sogar in Apotheken, und das geplante BIPAM. Spoiler Alert: Wir nehmen die Pläne auseinander. Denn hier wird „aus der Epidemiologie ein Imperativ gemacht“, warnt Martin Scherer. Die Heilserwartung an die Medizin werden „überdramatisiert“. Und der Hinweis aus der Kardiologenwelt „auf fehlende Belege“ ist eine schlechte Begründung für die Einführung eines Screenings.
So dreht sich das Gespräch auch um die Frage, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, die durch und durch medikalisiert ist. Und der Bogen bringt uns zu den, insbesondere von Promis und Medien als Wundermittel verkaufte „Abnehmspritzen“, also GIP-/GLP-1-RA-Analoga und auch die erwarteten Triple-Analoga mit GCG. Wir schauen und die jüngsten Studiendaten an, blicken auf den Rebound-Effekt. Und wir rechnen mal. (Dauer: 53:47 Minuten)
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Quellen
- Jasilionis D, van Raalte AA, Klüsener S, et al. The underwhelming German life expectancy. European Journal of Epidemiology 2023;38:839–50. doi:https://doi.org/10.1007/s10654-023-00995-5
- Baldus S, Laufs U, Schunkert H, et al. Prävention und Früherkennung in der kardiovaskulären Medizin – Nonplusultra oder Kostenfalle? herzmedizin.de. 2023. https://herzmedizin.de/nationale-herz-kreislauf-strategie/Stellungnahme-Praevention-Frueherkennung.html (accessed 3 Jan 2024).
- Tudor Hart J. THE INVERSE CARE LAW. The Lancet 1971;297:405–12. doi:https://doi.org/10.1016/s0140-6736(71)92410-x
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- Windeler J. Der Check heiligt die Mittel – ein Update. Observer Gesundheit. 2023. https://observer-gesundheit.de/der-check-heiligt-die-mittel-ein-update/ (accessed 3 Jan 2024).
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- Thorp HH. More questions than answers. Science 2023;382:1213–3. doi:https://doi.org/10.1126/science.adn3693
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- Rubino D, Abrahamsson N, Davies M, et al. Effect of Continued Weekly Subcutaneous Semaglutide vs Placebo on Weight Loss Maintenance in Adults With Overweight or Obesity: The STEP 4 Randomized Clinical Trial. JAMA 2021;325:1414–25. doi:https://doi.org/10.1001/jama.2021.3224
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- G-BA. Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Semaglutid (Rybelsus®/Ozempic®), Modul 3 D. G-BA. 2018. https://www.g-ba.de/downloads/92-975-4105/2020-10-26_Modul3D_Semaglutid.pdf (accessed 3 Jan 2024).
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- Terhune C. Exclusive: Most patients using weight-loss drugs like Wegovy stop within a year, data show. Reuters. 2023. https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/most-patients-using-weight-loss-drugs-like-wegovy-stop-within-year-data-show-2023-07-11/
- Amin K, Telesford I, Singh R, et al. How do prices of drugs for weight loss in the U.S. compare to peer nations’ prices? Peterson-KFF Health System Tracker. 2023. https://www.healthsystemtracker.org/brief/prices-of-drugs-for-weight-loss-in-the-us-and-peer-nations/
- Tirrell M. FDA approves Eli Lilly’s diabetes drug Mounjaro for obesity under new name, Zepbound. CNN. 2023. https://edition.cnn.com/2023/11/08/health/zepbound-mounjaro-fda-approval-obesity/index.html
Transkript
Nößler: Was bleibt von 2023? Was wird uns vielleicht auch 2024 beschäftigen? Wahrscheinlich nicht nur COVID und nicht nur Leitlinien, sondern auch urteure Abnehmspritzen. Oder zum Beispiel Missverständnisse bei der Prävention, künstlichen Intelligenz und vielleicht sogar Herausforderungen bei klinischen Studien. Und damit herzlich willkommen zum Teil 2 des Jahresrück- und Jahresausblicks vom EvidenzUpdate-Podcast. Wir, das sind ...
Scherer: Martin Scherer.
Nößler: Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der DEGAM und Direktor des Instituts und Poliklinik für Allgemeinmedizin am UKE in Hamburg. Und hier am Mikro ist Denis Nößler, Chefredakteur der Ärzte Zeitung aus dem Haus Springer Medizin. Moin, Herr Scherer!
Scherer: Moin, Herr Nößler.
Nößler: Wie war Ihr Weihnachtsfest, wenn ich fragen darf?
Scherer: Gemütlich, ruhig. Ich hätte fast gesagt, besinnlich. Ich meine das jetzt nicht süßlich esoterisch, sondern irgendwie mal zur Besinnung kommen. Ich hoffe, bei Ihnen auch.
Nößler: Ziemlich genauso. Sehr ruhig, sehr besinnlich. Jetzt assoziiert man ja Weihnachten immer auch mit dem Fest der Schlemmereien, ob kohlenhydratereich oder in anderer Form. Wie geht es Ihrem LDL nach dem Fest?
Scherer: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das zuletzt getestet habe.
Nößler: Damit wären wir mitten im Thema drin. Und zwar flächendeckendes bevölkerungsbezogenes LDL-Screening oder flächendeckendes Scherer-Screening auf LDL. Wer weiß, vielleicht kann ja irgendwann in Zukunft tatsächlich auch mal so eine integrierte Sonde das dauerhaft messen. Was hätten wir denn eigentlich davon, Herr Scherer, wenn Sie tagesaktuell Ihren LDL-Spiegel kennen würden?
Scherer: Nervenzusammenbrüche? Keine Ahnung. Ich glaube, dann würden wir alle verrückt werden.
Nößler: Also vor allem eine Menge Stress. Es geht um das eine Thema, eines von mehreren Themen, die wir uns aus Teil 1 aufgehoben haben. Es geht um das große Missverständnis hinsichtlich Prävention, Früherkennung und diesem fürchterlichen Vorsorgebegriff. Und wir wollten noch mal thematisieren, was bleibt aus 2023 und was wird uns 2024 wohl wieder begegnen. Diese Ideen aus dem Bundesgesundheitsministerium für ein flächendeckendes LDL-Screening bei Kids in der U9 noch mal ansprechen und überlegen, warum uns das beschäftigt hat. Wollen Sie noch mal ganz kurz rekapitulieren, was da geplant ist und worüber wir bereits gesprochen haben hier?
Scherer: Ich glaube, da können wir gemeinsam rekapitulieren, Herr Nößler. Denn das Elend nahm seinen Anfang schon im April 2023, als im European Journal of Epidemiology eine Analyse vorgelegt wurde, der zufolge die Lebenserwartung in Deutschland niedriger sei als in vergleichbaren Ländern. Ich glaube, Sie erinnern sich daran.
Nößler: Über die Arbeit haben wir uns natürlich auch ausgetauscht hier im Podcast. Erinnere ich mich ziemlich genau daran.
Scherer: Das war eine Aufnahme, die haben wir in der Geschäftsstelle oder in der Redaktion in Berlin gemacht.
Nößler: Genau. Die haben wir in Berlin aufgezeichnet.
Scherer: Und dann haben wir darüber gesprochen und gleichlautend mit anderen Kritikern darauf hingewiesen, dass Ursachenstatistiken oder Todesfallstatistiken ohne Obduktion unzuverlässig seien.
Nößler: Muss man vielleicht noch mal in die Arbeit reinschauen. Die hatten aus verschiedenen europäischen und westlichen Ländern die Sterbetafeln sich angeschaut und die dort erfassten Gründe, die mutmaßlichen Gründe für den Tod.
Scherer: Ganz genau. Und ohne Autopsie oder ohne Obduktion ist es einfach unzuverlässig. Das hinderte die Autoren aber nicht daran, Erklärungsversuche anzustellen, unter anderem zum Beispiel der, dass die Präventionsanstrengungen in Deutschland nicht ausreichend seien. Und diese Spekulation – als was anderes kann man es nicht bezeichnen – hat dann als Tatsachenbehauptung Eingang gefunden in ein Impulspapier des Gesundheitsministeriums vom 10. Oktober 2023. Und eigentlich auch als Aufhänger dafür, dass wir etwas tun für die Prävention in Deutschland, für die kardiovaskuläre Prävention in Deutschland, nämlich zum Beispiel fünfjährige Kinder screenen auf familiäre Hypercholesterinämie.
Nößler: Jetzt muss ich noch mal einen Schritt zurückgehen. Das Ganze fing an mit dieser einen Veröffentlichung aus dem Frühjahr 2023, wo über die verhältnismäßig schlechte Lebenserwartung der Menschen in Deutschland berichtet wurde, die soweit jetzt irgendwie nachvollziehbar oder bekannt ist, und die in Zusammenhang gebracht wurde mit vor allem kardiovaskulärem Tod und dort nicht stattfindenden oder schlechter Prävention. Und daraus wurde dann in der Folge eine Idee für ein Screening bei Fünfjährigen mit familiärer Hypercholesterinämie. Ist eine ziemlich lange Verbindung, würde ich sagen.
Scherer: Da muss man ein paar Pirouetten machen, ein paar gedankliche Abbiegungen nehmen.
Nößler: Klingt tatsächlich ein bisschen, als wäre das irgendwie von irgendeiner interessierten Person vielleicht klug aufgeschrieben worden in dieser Reihenfolge, um dann Argumente zu liefern.
Scherer: Kein Kommentar.
Nößler: Kein Kommentar. Gucken wir nach vorne. Wir reden hier im Moment noch über ein Impulspapier. Und jetzt können wir auch nicht in den Kopf des Herrn Minister reinschauen, wann er welches Gesetz wie machen will und was nun aus diesem Screening wird. Er steht jedenfalls sehr dahinter. Deswegen muss man sich die Frage stellen bei allen auf den Tisch liegenden Gegenargumenten so eines Screenings: Warum wird uns diese Idee dieses flächendeckende Screening im kommenden Jahr beschäftigen oder beschäftigen müssen, Herr Scherer?
Scherer: Ich denke, es wird uns beschäftigen, weil wir es leider, leider mit einer durchmedikalisierten Gesellschaft in unserem Land zu tun haben, in der die Heilserwartung der Medizin über die Verhältnisprävention und über die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben gestellt werden. Und so wie es jetzt aussieht, wird seitens des Gesundheitsministeriums diese Entwicklung eher verstärkt werden. Was nach der Bundestagswahl passiert, muss man mal abwarten, da haben wir keine Glaskugel. Aber ich glaube, das ist die Kernfrage. Konzentrieren wir uns auf Verhältnisprävention oder auf das, was man eigentlich als Medikalisierung bezeichnen muss.
Nößler: Da steckt ja auch die Idee drin, es gibt ja diesen Plan aus der BZgA, eine neue Behörde zu bauen, das BIPAM, Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin. Das ist ja so die Idee. Und da wird ja auch ein Fokus auf die typischen nicht übertragbaren Krankheiten gelegt, insbesondere auch kardiovaskulär. Was Sie gerade gesagt haben, diese übertriebene Heilserwartung an der Medizin, die bringt sich da auch zum Ausdruck, wenn ich extra ein Institut dafür gründe.
Scherer: Vor allem haben wir es auch bei dieser ganzen Diskussion mit einer merkwürdigen Melange von Begrifflichkeiten zu tun: Prävention, Vorsorge, Früherkennung. Möglicherweise ist Ihnen das auch schon aufgefallen, dass das sprachlich dann oft ein bisschen durcheinandergeht.
Nößler: Vielleicht räumen wir es mal auf.
Scherer: Man unterscheidet zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Bei einer Primärprävention geht es darum, das Entstehen von Krankheiten zu verhindern oder hinauszuzögern. Bei der Sekundärprävention geht es darum, entstandene Krankheiten frühzeitig zu entdecken. Und bei Tertiärprävention das Verschlimmern von Krankheiten zu verhindern oder zu verzögern. Früherkennung wird manchmal auch Vorsorge genannt. Und da findet man uns dann im Bereich der Sekundärprävention.
Nößler: Aber jetzt mal ganz original semantisch: Früherkennung ist doch keine Vorsorge. Also Vorsorge ist, wenn ich mir die Zähne putze. Da betreibe ich aktiv eine Vorsorge. Aber eine Früherkennung? Ich für meinen Teil, Herr Scherer, finde diesen Vorsorgebegriff sträflich missbraucht.
Scherer: Es ist absolut eine begriffliche Irreführung. Und vielleicht auch die Wurzel des ganzen Missverständnisses. Das ist eine Information, nichts weiter. Es ist keine Maßnahme oder keine Handlung, die zur Gesundheitsförderung direkt beiträgt. Es ist eine Information, aus der weitere Maßnahmen folgen können. Aber wie Sie sagen, Zähne putzen wäre Primärprävention, Fluoridierung wäre Primärprävention. Und alles das, was ich zur Gesundheitsförderung tun kann im Alltag, noch vor der Praxis- oder Kliniktür, das sind im Grunde genommen eigentliche Vorsorgemaßnahmen, bevor es überhaupt erst dazu kommt, etwas zu entdecken. Also müssen wir jetzt vielleicht auch nicht bis ans Letzte durchkneten die Begrifflichkeiten, aber es einmal zu sortieren, macht vielleicht Sinn.
Nößler: Also Sprache schafft ja auch ein Stück weit unsere Welt. Nicht nur wie wir sie sehen wollen, sondern auch wie wir gerne möchten, dass sie ist. Und man nennt das dann in der Kommunikationstheorie Framing, what ever. Egal. Uns geht es darum, das einfach einzuordnen und ein bisschen hinter diese Worte zu schauen. Bleiben wir noch mal an diesen Ideen zu diesem flächendeckenden LDL-Screening bei den Kids beziehungsweise im Prinzip ein Lipidrisikoscreening, so müsste man es ja sagen. Dyslipidämierisiko-Screening. Die Kritik daran ist bekannt. Wir können auch unsere Episode verlinken. Da ist dann wiederum andere Kritik mit drin verlinkt. Und es gab dann tatsächlich auf die Kritik an diesen Plänen wiederum Kritik. Das nennt man dann Diskurs in gewisser Weise. Und da wurde im Prinzip sinngemäß gesagt, warum man so ein Screening heute braucht, liegt eigentlich nur daran, dass viele Menschen übersehen würden – bleiben wir bei der familiären Hypercholesterinämie. Das haben Sie damals auch in unserem Gespräch gesagt, dass es Schätzungen gibt, von der Prävalenz. Ich glaube, das war eine Arbeit aus dem Deutschen Ärzteblatt. Dass man viele Leute tatsächlich jetzt nicht direkte ermitteln kann. Und mit dieser Kritik an der Kritik wurde eben damals noch mal begründet, warum es wichtig ist, die Leute herauspicken zu können, die man heute nicht herauspickt. Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, bedeutet das ja eigentlich, dass die Kinderärztinnen und -ärzte und die Hausärztinnen und Hausärzte, die ja diese Menschen versorgen, und bei denen die Fünfjährigen längst aufschlagen, dass die nicht in der Lage sind, anamnestisch gut vorzugehen, um Risikokids herauszufinden. Oder verstehe ich das falsch?
Scherer: Sie sprechen die Kritik an, die aus dem Bereich der Kardiologie kommt oder von den kardiologischen Kolleginnen und Kollegen?
Nößler: Ja, genau.
Scherer: Die kardiologischen Kollegen sind ja nicht unauthentisch in dem, was sie verlangen und fordern. Sie sehen sehr viel Leid in ihren Kliniken. Und es fällt nicht schwer, den Kollegen abzunehmen, dass es ihnen wirklich um die Belange der Patienten geht. Das nehme ich ihnen auch ab. Ich kenne auch viele persönlich, und das sind super Kollegen. Sie wollen eben das Leid, das sie sehen, schon vorher erkannt oder verhindert wissen. Das ist absolut honorig. Das Problem ist nur, dass für die Beurteilung von Screeningmaßnahmen andere Expertisen und andere Kriterien verlangt werden. Wir haben das schon mal vor Wochen ausführlich durchgespielt. Aber zurück zu Ihrer Frage. Ich denke nicht, dass es den Kardiologen darum geht, jemanden an den Pranger zu stellen. Sondern sie haben einfach die Argumentation der oben zitierten Studie aus dem April 2023 aufgenommen, in der Deutschland hinsichtlich der Lebenserwartung schlecht abschneidet. Es geht ihnen um den Gedanken der Underperformance und darum, dass wir bei der Präventionsperformance in Deutschland besser werden müssen. Ich glaube, das ist das, was die Kollegen antreibt.
Nößler: Präventionsperformance in dieser Hinsicht, aber sicherlich auch ganz konkret, dass die richtigen Personen frühzeitig erkannt werden. Das gehört ganz sicher mit dazu. Und wenn ich mir die Stellungnahmen von der DGK, von der Herzstiftung – wir verlinken die natürlich wo, Herr Scherer?
Scherer: In den Shownotes.
Nößler: Natürlich in den Shownotes. Wenn man sich das durchliest, dann ist das schon ein ganz klares Petitum pro dieses Screening, weil sie eben sagen, neun von zehn – das ist deren Rechnung, deren Behauptung – Menschen, die eine FH haben, würden heute übersehen. Das ist doch auch eine Kritik eigentlich, oder?
Scherer: Sie sprechen von Übersehen, Herr Nößler. Ich muss bei einer solchen Argumentation immer an den Herold denken, den ich im Medizinstudium lernen durfte, musste. Tolles Buch, wundervoll komprimiertes Standardlehrbuch der Inneren Medizin, extrem faktenreich und in vielen Auflagen erschienen. Da gibt es vor jeder Erkrankung einen kleinen Teil Epidemiologie. Das heißt, jede internistische Erkrankung wird in diesem Buch erst mal häufigkeitsmäßig eingeordnet. Und ich frage mich, ehrlich gesagt, wenn Sie von Übersehen sprechen, ob aus der Epidemiologie ein Auftrag für die Medizin abzuleiten ist, sozusagen die Epidemiologie als Auftragsbuch für die Versorgung und gleichzeitig als schwarze Schwester der Versorgungsforschung. Mit anderen Worten: Wenn du von 25.000 Menschen den einen mit Wegener‘sche Granulomatose nicht gefunden hast, haben wir ein Versorgungsdefizit. Wenn du die zwei von den 10.000 mit Marfan-Syndrom nicht gefunden hast, also 10.000 Bewohner und zwei davon haben das Marfan-Syndrom, dann ist das eine Underperformance. Die familiäre Hypercholesterinämie hat ungefähr eine Häufigkeit von 1:300.000, und wenn du diesen einen übersehen hast, dann muss etwas besser werden in unserem Land. Ich frage mich, ob man aus der Epidemiologie ein Imperativ machen kann und praktisch als Negativ der Versorgungssituation. Natürlich gehört ein Mensch mit einer ernsthaften Erkrankung, wie zum Beispiel der familiären Hypercholesterinämie behandelt. Die Folgen der Nichtbehandlung sind verheerend. Dennoch, die Epidemiologie ist meines Erachtens nicht das Negativ der Versorgungssituation. Können Sie das nachvollziehen oder den Hörerinnen und Hörern noch mal ein bisschen schöner erklären?
Nößler: Jetzt soll ich das machen, Herr Scherer, wofür Sie mich immer tadeln.
Scherer: Genau, paraphrasieren Sie doch einfach mal ein bisschen.
Nößler: Ich darf jetzt den Scherer paraphrasieren. Ich versuche es ganz einfach wie es bei mir angekommen ist. Ein mathematisch statistischer Zustand, das ist in dem Fall Epidemiologie, eine Wahrscheinlichkeit, kann im Ergebnis nicht dazu führen, sie komplett berechenbar machen zu müssen, durch ein paar wenige Menschen, die es vielleicht, wenn überhaupt, könnten. Oder anders gesagt: Das Heilsversprechen, die Heilserwartung an die Medizin wird überdramatisiert, wenn sie beinhaltet, dass wir jeden Erkrankungsfall zu jeder Zeit entdecken müssen können, mit 400.000 berufstätigen Ärztinnen und Ärzten.
Scherer: Genau.
Nößler: Also, da ist wieder ein Missverständnis über das, was das System und die Menschen da drin zu leisten imstande sind und wozu wir dieses Gesundheitssystem eigentlich auch benutzen sollten. Das ist ja die Frage, die hinter allem mit steht: Was wollen wir, was soll dieses System für uns? Ich will es aber noch mal ein bisschen einfacher gedanklich für mich machen, nämlich das Thema Kosten. Wir hatten damals in der Episode eine ziemlich krasse Rechnung aufgemacht. Da haben wir uns einfach mal zu der Idee aufgesprungen, Herr Scherer, dass alle 700.000 Kids pro Jahrgang eine genetische Testung bekommen. Da sind wir bei irgendwo weit über 1 Milliarde gewesen. Das ist natürlich absurd. Und wenn man jetzt sagt, ein LDL-Test kostet nach EBM ein paar Cent – da sind wir bei 25 Cent –, dann könnte man natürlich sagen: Hm, so ein LDL-Test ist jetzt aus Kosten- und aus Effizienzgründen die günstigere Maßnahme als die Schäden eines hohen übersehenen kardiovaskulären Risikoprofils, wo man dann tatsächlich ein Ereignis auch verhindern könnte. Klingt für mich logisch.
Scherer: Es klingt erst mal logisch. Aber wenn so viele Kinder durchgecheckt werden sollen, dann muss erst mal belegt sein, dass der Nutzen den Schaden überwiegt. Und das ist bei allen Präventionsmaßnahmen so, die wir in das System übertragen oder einführen. Es müssen belastbare Belege vorliegen.
Nößler: Das heißt, an der Stelle wird mit Hoffnungen argumentiert, mit Erwartungen, vielleicht auch mit Hypothesen, die jetzt nicht ganz unplausibel sind. Aber es gibt einfach keine Beweise. Und Grundidee, Wilson and Jungner, sie hatten es in einer dieser Episoden, du musst es beweisen.
Scherer: Ganz genau. Wir haben es einmal durchgesprochen. Ich kann da auch gerne noch mal an anderer Stelle das erzählen. Aber im Grunde genommen sind es einige Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor ein Screening eingeführt wird. Vielleicht kommen wir da später noch mal zu.
Nößler: Okay. Sie haben Ihre kardiologisch tätigen Kolleginnen und Kollegen tatsächlich richtig in Schutz genommen und haben ihnen die besten Absichten attestiert. Das will ich auch gar nicht infrage stellen. Vielleicht formuliere ich die Frage etwas anders: Stecken da auch nicht Marktabsichten drin, wirtschaftliche Absichten? Sie haben von der Medikalisierung der Menschen gesprochen. Und wenn ich mir jetzt überlege, ich gründe eine Firma für Diagnostiktests oder ein Labor, ich mache ein Labor auf oder stelle dann vielleicht tolle Substanzen her, die man diesen Leuten in Blutkreislauf kippen kann, um das LDL zu senken, dann ist da ja ein veritables wirtschaftliches Interesse da, mehr Menschen krank zu machen und zu medikalisieren.
Scherer: Das würde ich niemandem unterstellen. Weder ärztlichen Kolleginnen und Kollegen noch den Leuten in der Pharmaindustrie. Also ich würde jedem erst mal unterstellen, dass er mit seiner Arbeit etwas Gutes versucht. Allerdings ist es so wie Sie es sagen, es ist unglaublich viel Geld im System, es geht ja auch um relativ viel Geld. Aber was mich umtreibt ist etwas anderes, dass man nämlich die Ressourcen in der Medizin denen zugutekommen lässt, die es am dringendsten brauchen. Sie kennen das Inverse Care Law, das seit den 70er Jahren schon bekannt wurde, durch eine Lancet-Publikation. Ich glaube, Julian Tudor Hart hat das erstmals beschrieben. Das bedeutet, je kränker ein Patient ist, desto weniger Ressourcen stehen ihm im Gesundheitswesen zur Verfügung. Also ja, ich gebe Ihnen recht, das System, wie wir es heute kennen, ist sicherlich in weiten Teilen marktgetrieben und von einer Medizin, die vornehmlich denen zugutekommt, die sie am meisten brauchen, sind wir weit entfernt. Das heißt, es stört uns ja nicht, wenn etwas Geld kostet. Nur, wo werden die Ressourcen alloziert und kommen sie wirklich dahin, wo sie am besten eingesetzt sind. Und deshalb immer dieses Ringen. Die Mittel sind begrenzt, also müssen wir uns genau anschauen, wo wir sie investieren. Aber das ist nicht das, was mich hier umtreibt, sondern mich treibt eigentlich um, dass das Inverse Care Law 50 Jahre später genauso aktuell ist.
Nößler: Jetzt versuche ich mal wieder einen hermeneutischen Kreis zu schließen. Dann ist, wenn man das Inverse Care Law zugrunde legt, der Schaden durch eine Überdiagnostik letztlich ein gesellschaftlicher Schaden, weil Ressource denjenigen vorenthalten wird oder nicht mehr zur Verfügung stehen kann, die sie eigentlich brauchen. Weil diese Ressource für Dinge benutzt wird, die man eigentlich nicht machen sollte.
Scherer: Und stattdessen schaffen wir eben immer mehr Anreize für Gesunde, sich ihre Gesundheit bestätigen zu lassen.
Nößler: Ich will noch mal auf eine relativ, vielleicht auch auf dem ersten Blick aber auch nicht ganz unschlüssige Argumentation zu sprechen kommen, was die Kritik an der Kritik an der Kritik letztlich angeht. Wie gesagt, wir befinden uns hier im Diskursmodus, was diese Pläne angeht, und da gehört es dazu, dass man Argumente austauscht. Mit Blick auf das, was Sie gefordert haben, ich muss für jedes Screening einen wissenschaftlichen Beleg liefern können, und idealerweise sogar mehrere Belege, die reproduzierbar sind, dass dieses Screening einen klinischen Vorteil am Ende hat. Da wurde kritisiert – das war auch im Rahmen der Replik aus der kardiologischen Welt –, dass das relativ schwer sei, einen klinischen harten Endpunkt, also in dem Fall ein kardiovaskuläres Ereignis, nach 30 Jahren zu ermitteln. Also man müsste heute eine fünfjährige Kohorte nehmen, müsste man sie halbieren, mit Screening, ohne Screening und dann 30 Jahre Follow-up machen und gucken, gibt es da ein Ereignis. Ist das wirklich so schwierig, Herr Scherer? Oder anders gesagt: Sie sind der Versorgungsforscher, Sie sind der, der die Studien macht. Warum machen Sie nicht so eine Studie?
Scherer: Erst mal muss man davon ausgehen, dass jede Maßnahme schadet. Jede Präventionsmaßnahme schadet. Jetzt mag man vielleicht denken: Ach, so ein einfaches Screening auf LDL in jungen Jahren, das schadet nicht. Aber da gibt es schon ein paar Sachen, die man bedenken muss. Also das ist eine venöse Blutaufnahme, die ist aufwendig. Für viele Kinder ist es eine angsterfüllte Intervention. Dann haben wir das Thema mit dem Transport oder fehlende Analysegeräte im niedergelassenen Bereich und so weiter. Das Thema mit dem Cut-off-Werten zwischen einer Hyperlipidämie und einer familiären Hypercholesterinämie ist in dem Alter überhaupt noch nicht gut definiert. Dann die Frage der Therapie. Also wenn man jetzt eine Lipidstoffwechselstörung diagnostiziert hat, gibt es eigentlich nur das Pravastatin für die autosomal-dominante familiäre Hypercholesterinämie. Aktuell kein Statin für Kinder unter acht Jahre. Und alle anderen frühestens ab dem zehnten Lebensjahr.
Nößler: Das heißt, selbst wenn ich da jemanden erwische mit fünf Jahren, bin ich im Off-Label-Use drin, wenn ich meine, da ein Statin geben zu müssen.
Scherer: Ganz genau. Und dann haben wir noch das Thema des Diagnose-Labels. Wenn ich jetzt ein präventives Screening mache und detektiere eine Diagnose, kann das soziale Folgen haben. Banken oder Versicherungen, die eine Gesundheitsuntersuchung verlangen, könnten vielleicht später mal eine Police oder einen Kredit verweigern. Und noch mal zurück zur Statintherapie. Gerade wenn man jetzt sehr früh anfängt und von der lebenslangen Notwendigkeit einer Statintherapie spricht, dann muss man auch das Nebenwirkungsprofil sich anschauen und insbesondere schauen, wie das Nebenwirkungsprofil bei Kindern im Vorschulalter ausschaut. Das muss erforscht sein. Wir wissen heute, dass bei Erwachsenen Risiken für den Stoffwechsel entstehen, für die Entwicklung von Diabetes und Katarakte bei Langzeit- oder Hochdosistherapie. Mit anderen Worten: Der Schaden ist sicher immer da, mal kleiner, mal größer. Und deshalb braucht es Belege, dass der Nutzen den Schaden überwiegt. Das sind harte klinische Endpunkte, das sind Mortalitätsdaten. Und wenn man jetzt sagt, das ist ja überhaupt nicht durchführbar, eine 30 Jahre angelegte prospektive Studie, und das kostet viel zu viel Zeit – jetzt haben Sie mir eben vorgeschlagen, ich soll die Studie doch selber machen. Also der Hinweis auf fehlende Belege ist eine schlechte Begründung für die Einführung eines Screenings.
Nößler: Das klingt ja fast nach einer Überschrift. Ich nehme an der Stelle mit: Es bleibt dabei, du musst beweisen, dass was du tust, gut ist. Primum non nocere. Und wenn du etwas machst, muss es auf jeden Fall einen Benefit haben. Und wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Scherer, einem fünfjährigen Kind eine E78 reinzucodieren in die „Krankenakte“ – das Kind ist in dem Moment nicht krank – kann im Zweifel ein echter Schaden sein. Und wenn es nur das Stigma ist, neben der reinen Körperverletzung durch die Blutabnahme et cetera.
Scherer: Ganz genau. Um das Ganze jetzt nicht zu negativ darzustellen und um nicht immer nur zu sagen, was nicht geht – es gibt ja durchaus auch Alternativen. Es ist ja nicht so, dass wir – und mit „wir“ meine ich die DEGAM – gegen alles sind. Zum Beispiel gibt es gerade durch den G-BA eine geplante Einführung einer U10 oder einer verpflichtenden J1-Vorsorgeuntersuchung im Alter von 9 bis 14 Jahren. Und diesen Zeitpunkt könnte man zum Beispiel gut nutzen, um ein Kaskadenscreening einzuführen. Und dann den Jugendlichen bei positiver Familienanamnese eine frühzeitige Diagnostik und auch Statintherapie anzubieten. Also bei einem Kaskadenscreening, wir hatten das schon mal in dem vorletzten Evidenz-Update, wären wir nicht abgeneigt. Und dieser Zeitpunkt ist auch gut geeignet, zum Beispiel für andere primärpräventive Dinge, wie zum Beispiel Nikotinverzicht, gesunde Ernährung und Bewegung. Aber die Fünfjährigen müssen es jetzt nicht unbedingt sein.
Nößler: Vielleicht können Sie das Thema Kaskadenscreening noch mal ganz kurz erklären.
Scherer: Dass man kein systematisches Screening macht, bei dem jedes Kind untersucht wird, sondern dass man bei denen mit positiver Familienanamnese ansetzt und dadurch eine Vorselektion schafft.
Nößler: Da sind wir wieder dann bei dem, was üblicherweise in den Praxen stattfindet, dass man vor allem sich anamnestisch nähert. Im Zweifel da eben diese Frage noch mal einbaut, was Sie gerade erwähnt haben und da noch mal intensiver nachfragt und dann den nächsten Schritt macht. Vielleicht um das Thema abzurunden, ganz sicherlich abzuschließen, das ist ja auch nur so eine Art Zusammenfassung dessen, was wir 2023 diskutiert haben und ein bisschen Ausblick dahin, wie die Diskussion bei diesem Thema 2024 weitergehen könnte: Es gibt in diversen Ländern bereits so exemplarische Versuche, Pilotstudien, wenn man so will, die letztlich als Aufgabe haben, in bestimmten Kohorten, oftmals regionale Kohorten, zu untersuchen, ob so ein Screening einen Sinn hat. Also Stichwort, die Frage, solche Studien seien nicht möglich, ist ja dadurch auch beantwortet, dass man solche Studien längst auflegt, Machbarkeitsstudien macht. Und mit Blick auf das Thema Lipid-Screening und Früherkennung FH wird immer wieder die Vroni-Studie zitiert, mit V geschrieben. Ist eine Studie aus Bayern. Können Sie uns dazu ein bisschen was sagen? Steckt da irgendwas an Ansätzen drin, wo man sagt, da können wir was draus lernen?
Scherer: Also, von der Vroni-Studie liegt mir aktuell nur eine Pressemitteilung vor. Und ich hatte mir eigentlich schon während der Corona-Pandemie geschworen, mich nur noch zu publizierten Originalarbeiten zu äußern. Aber es gibt eine sehr schöne Betrachtung von Jürgen Windeler: Der Check heiligt die Mittel. Das ging dann auch hin und her mit den kardiologischen Kollegen mit einer Replik und dann noch mal mit einem „Der Check heiligt die Mittel“-Update. Das war, glaube ich, auch ein Teil des Diskurses, den Sie meinten, Herr Nößler. Und ich darf einfach mal Jürgen Windeler zitieren, der darauf hingewiesen hat, dass diese Studie als Feasibility-Studie angelegt ist und überhaupt nicht dazu geeignet ist, den Nutzen zu untersuchen. Wenn man sich das Wording der Pressemitteilung anguckt, dann steht ja schon fest, was rauskommen soll. Da steht nämlich: „Die Vroni-Studien werden den Nutzen untersuchen und bestätigen.“ Das ist jetzt keine ergebnisoffene Herangehensweise. Aber die Fragen, die beantwortet werden müssen – und ich hatte das schon mal versprochen, dass wir dann eine kleine Wiederholung machen – das sind Endpunktfragen. Man braucht mindestens eine hochrangige Endpunktstudie, damit man weiß, dass der Nutzen dem Schaden überwiegt. Und dann auch die Frage, sind die als Resultat des Screenings angelegten Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit durch randomisiert kontrollierte Studien evaluiert. Das wäre ja auch mal eine Sache, dann ein entsprechendes Statin, RCT in der entsprechenden Altersgruppe zu haben. Und dann müssen wir Number needed to Screen kennen, also wir müssen wissen, wie viel Leute untersucht werden können, um einen Endpunkt zu verhindern, die Number needed to Harm und so weiter. Und das verspreche ich mir von der Vroni-Studie oder den Vroni-Studien nicht.
Nößler: Schade. Aber vielleicht kommt ja so eine Studie mal. Oder vielleicht werden Ihre Worte erhöht und irgendwer setzt sich mal hin und überlegt mal, wie man so etwas aufsetzen kann. Das wissenschaftlich zu erhärten – Herr Scherer, wollen wir für das Früherkennungsthema zunächst mal ein Punkt machen?
Scherer: Gerne einen vorläufigen Punkt. Es kommt bestimmt noch mal zurück. Und wir bleiben ja dem Thema der Medikalisierung der Gesellschaft treu. Das ist ja der Bogen, den man über die heutige und die anderen Episoden eigentlich ziehen kann.
Nößler: Das ist nämlich der Punkt. Wir hatten uns etliche Themen noch rübergerettet aus Teil 1, das war jetzt ein Thema. Jetzt kommt nämlich – das ist der Bogen, den Sie ansprechen – Medikalisierung. Das zweite Thema – und das sind die GIP-/GLP-1-/GCG-Rezeptor-Agonisten. Wir sind in der Welt der wundersamen Abnehmspritzen. Wenn Sie diese wunderbaren kleinen Buchstabengrüppchen hören, GIP, GLP-1 und GCG, was geht Ihnen da durch den Kopf?
Scherer: Ganz spontan?
Nößler: Ja.
Scherer: Eine deutliche Gewichtsabnahme unter Therapie, eine deutliche Gewichtszunahme nach Therapie.
Nößler: Also eigentlich, bis auf Letzteres wunderbares Zeug.
Scherer: Zunächst mal.
Nößler: Jetzt reden wir eben die ganzen ersten Minuten über Adipositas und Prävention. Das ist das Thema der letzten Wochen und Monate, das uns beschäftigt hat. Und jetzt reden wir erst mal nicht über die Medikalisierung und die Kosten, sondern über das, was Sie gesagt haben, naja, man kann damit super abnehmen. Und wenn wir alle wissen, dass Adipositas ein krasser Risikofaktor ist – ich sehe da eine wunderschöne neue Welt auf uns zukommen, oder? Es klingt doch alles erst mal sehr gescheit. Adipositas bei jenen reduzieren zu können, wo es mit Lebensstiländerung nicht geht.
Scherer: Oft ja. Aber nicht immer. Es stimmt schon wie Sie es andeuten, dass Übergewicht mit zahlreichen Komorbiditäten einhergeht, das wissen wir. Komorbiditäten, die die Lebenserwartung senken und das Gesundheitssystem dann auch belasten können. Aber es gibt auch Studien, die zeigen, dass es möglich ist, übergewichtig und gesund zu sein. Wir können gerne dann auch eine in den Shownotes verlinken. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Übergewicht mit einer schlechten psychischen Gesundheit einhergehen kann, was zum Teil natürlich auf das gesellschaftliche Stigma zurückzuführen ist.
Nößler: Das eine ist: Ist es vielleicht Krankheitswert, das Zweite ist: Ist es vielleicht Stigma – ja/nein. Und natürlich ist es ein Stigma und wird man dadurch stigmatisiert. Ich stelle jetzt mal vorweg eine Hypothese auf, dass das Stigma durch diese Spritzen nicht abnehmen wird. Die Frage, die ich mir jetzt stelle – jetzt kommen wir ein bisschen Richtung Kosten aus einer Systembetrachtung heraus –, wenn ich einen krassen Risikofaktor, der am Ende zu Gesundheitsausgaben, die vermeidbar wären, führt, verändern kann, wäre es dann nicht eigentlich an der Zeit zu überlegen, diese Spritze für alle, die sie haben wollen und brauchen sollten? Weil Hand aufs Herz, Abnehmmittel – wissen wir alle – sind nicht zulasten der GKV erstattbar in Deutschland.
Scherer: Das ist eben wieder diese unterschiedliche Betrachtung oder die zwei Seiten einer Medaille. Einerseits die Individualperspektive, andererseits die Public-Health-Perspektive. Aus Public-Health-Sicht ist es nicht der richtige Weg, die medikamentöse Therapie der Adipositas überzubetonen. Dann sind wir wieder mittendrin in der Medikalisierungsspirale. Wir versäumen einerseits eine wirksame Verhältnisprävention, um dann die Medizin wiederum kostspielig aufzublähen. Das kann nicht der Weg sein.
Nößler: Dann gehen wir mal konkret rein, worüber wir sprechen. Also heute reden wir alle über Ozempic und Wegovy, das uns allen bekannte Semaglutid. Und eigentlich wollen wir aber gar nicht so sehr über Semaglutid sprechen, vielleicht auch, da gibt es nämlich auch eine neuere Arbeit. Da können wir noch mal vielleicht kurz reinschauen. Wir wollen eigentlich über die Dinge schauen, die vor uns liegen. Da gibt es Tirzepatid, das ist schon zugelassen. Und dann gibt es noch – diesen Namen kann ich nicht aussprechen – Retatrutid. Diese Substanzklasse, Herr Scherer, ist ja nicht hochgradig neu. Die gibt es ja schon eigentlich relativ lang. Warum rauscht das so seit einem Jahr ab? Was ist da der Hintergrund?
Scherer: Das sind hochwirksame Medikamente, die eine beeindruckende Gewichtsreduktion bewirken können. Aber auf der anderen Seite mehren sich auch die Zweifel, dass dieser Effekt langfristig anhält. Und am Ende sind es dann doch wieder die Lebensstilmaßnahmen, mit denen man versuchen muss, die kurzfristig erzielte Gewichtsreduktion zu erhalten. Das zeigen auch zunehmend Daten, dass wenn diese postmedikamentösen Phasen dann nicht durch Lebensstilmaßnahmen abgefangen werden, dass man dann nach ungefähr zwei Jahren wieder beim Ausgangsgewicht ist.
Nößler: Das schauen wir uns gleich in einer Arbeit noch mal an. Jetzt hat die Zeitschrift Science im Dezember diese Abnehmmedikamente – haben sie es einfach genannt – als Breakthrough of the Year bezeichnet in einem Artikel. Und da gibt es auch ein Editorial von dem Chefredakteur von Science, der immerhin sagte, dass diese GLP-1-Agonisten mehr Fragen aufgeworfen als sie beantwortet haben. Und das nennt er ein Kennzeichen für einen echten Durchbruch. Sehen Sie das ähnlich?
Scherer: Die Frage ist, was der Durchbruch ist. Ich habe erst mal dieselben Fragen, wie der Autor des Editorials. Die eine ist: Wer soll das bezahlen? Die andere ist: Muss man das Zeug dann lebenslang einnehmen? Und die dritte Frage ist dann tatsächlich: Was ist denn jetzt der eigentliche Durchbruch? Klar, die Entwicklung dieser Medikamente, die zwingt uns mal darüber nachzudenken, wie wir Adipositas betrachten. Ich glaube, wir sind alle darüber hinaus – und das ist auch gut so –, dass Adipositas als Zeichen der Schwäche oder als das Ergebnis mangelnder Willenskraft zu bewerten ist. Das war und ist für viele Menschen sehr verletzend. Es gibt jetzt zwingende Beweise dafür, dass es einen biochemischen Unterschied gibt und dass es eben keine geistige Schwäche ist. Das ist, denke ich, der gute Teil des Ganzen. Aber brauchen doch noch ein bisschen mehr Erkenntnisse dazu, um zu verstehen, wie genetische und umweltbedingte Faktoren ineinandergreifen, wie sie mit dem Körpergewicht zusammenhängen. Und dieses Verständnis könnte tatsächlich dann auch die Stigmatisierung und Verurteilung von hohem Körpergewicht verringern. Und das wäre dann vielleicht wirklich mal ein Durchbruch.
Nößler: Das klingt jetzt gar nicht so pessimistisch. Gehen wir mal in diese beiden Substanzen, die uns wahrscheinlich 2024 noch intensiver beschäftigen könnten, etwas tiefer hinein und nehmen gleich Tirzepatid. Da haben Sie schon diesen Rebound angesprochen. Und zwar gibt es da den SURMOUNT-4-Trial. Das ist eine Phase-3-Studie gewesen, randomisiert, aber open label, zumindest was die Lead-in-Periode angeht. Und wenn ich das richtig sehe, Herr Scherer, nach 36 Wochen haben die Leute 20 Prozent ihres BMI verloren. Jedes fünfte Kilo war weg, jetzt mal krass umgerechnet. Ich finde das ziemlich wahnsinnig.
Scherer: Das ist schon ein beeindruckender Effekt. Tirzepatid ist ein Molekül, dass das glukoseabhängige insulinotrope polypeptides GIP und den GLP-1-Rezeptor-Agonismus kombiniert. Und dann hat man eben so einen synergistischen Kombieffekt aus Appetitzüglung, veränderter Nahrungsaufnahme und veränderter Stoffwechselfunktion. Und das macht dann diese beeindruckenden Effekte. Tirzepatid ist in vielen Ländern zugelassen, darunter die USA, die EU und Japan. Ja, einmal wöchentlich subkutan injizierbar.
Nößler: Und wenn man dann aufhört?
Scherer: Dann gibt es einen Rebound-Phänomen. Das sagen auch die Autoren der SURMOUNT-4-Studie. Und das ist übrigens nicht die einzige Studie zum Rebound-Phänomen. Es gibt da mindestens fünf Studien, wenn man die SURMOUNT-Studie dazuzählt. Also das sind Studien, die zeigen, dass das Körpergewicht nach Absetzen der Pharmakotherapie wieder deutlich hochgeht. Und das gilt für unterschiedliche Wirkstoffklassen. Da gibt es die Step-1-Studie und die Step-4-Studie zu Semaglutid. Da gibt es schon von James et al. aus 2000 eine Studie zu Sibutramin oder die BLOOM-Studie zu Lorcaserin aus dem New England Journal of Medicine 2010. Also man ist dann vermutlich wieder bei dem Thema Lebensstilmaßnahme, was man eigentlich umgehen wollte mit diesen Medikamenten. Oder man ist tatsächlich beim Dauereinsatz.
Nößler: Aber immerhin. Bleiben wir mal kurz bei dem SURMOUNT-4-Trial. Im Mittel haben die so ihre 25 Prozent BMI verloren. Das ist wirklich Prozent. Und wenn die das abgesetzt haben nach 36 Wochen, dann haben sie, in Anführungszeichen, schrittweise bis zur 88. Woche erst mal nur 10 Prozent wieder draufgelegt. Also 10 Prozentpunkte. Das heißt, es blieb schon noch ein kleiner Effekt zumindest.
Scherer: Wie lange der anhält, ist die Frage. Und ob der sich nicht im Laufe der Zeit verzehrt, sodass man dann nach einigen Jahren wieder da ist, wo man mal war.
Nößler: Also das Risiko ganz eindeutig, dass es quasi eine Art Dauertherapie sein muss. Und das dann ganz viele Fragen nach sich zieht.
Scherer: Ja.
Nößler: Ein bisschen krasser – ich sage bewusst krass – sieht es bei Retatrutid aus. Da gibt es eine Phase-2-Arbeit, die 2023 veröffentlicht wurde. Das ist ein Triple-Agonist, Herr Scherer, noch mit einem Glukagon-Rezeptor-Agonist. Und die Leute haben nach 48 Wochen, also nicht mal ein Jahr, die Menschen, die einen BMI ab 35 hatten, 26,5 Prozent geschafft. Das ist Wahnsinn. Was kommt da auf uns zu?
Scherer: Ich stimme Ihnen zu, das sind erst mal Effekte, die man ernst nehmen muss. Die Gewichtsreduktion ging unmittelbar nach Absetzen des Medikaments sogar noch ein bisschen weiter. Das war aber erst mal eine Phase-2-Studie. Was auf uns zukommt, wäre dann eine Phase-3-Studie, zunächst erst mal. Und die müsste dann Aufschluss geben über die Wirksamkeit im Hinblick auf klinische Endpunkte und Fragen der Sicherheit.
Nößler: Wenn ich diese Retatrutid-Studie richtig verstanden habe, haben sie da vor allem versucht, eine richtige Dosis zu finden.
Scherer: Eigentlich eine Dosisfindungsstudie.
Nößler: Dann müssen wir es beobachten, wie es mit dieser Substanz weitergeht. Vielleicht noch mal so ein Zwischenfazit, was diese Geschichten angeht. Also die Menschen, die wirklich krank sind, die einen Leidensdruck haben und bei denen man der Adipositas nicht anders Herr werden kann, beispielsweise auch Typ-2-Diabetes. Für die kann das doch alles echt Game Changing sein. Oder würden Sie das nicht so unterschreiben?
Scherer: Das kann für einzelne klinische Konstellationen sicherlich ein Game Changer sein, diese Konstellation muss man sich dann auch genau anschauen. Es ist aber keine Maßnahme auf Public-Health-Ebene.
Nößler: Auf der anderen Seite, das ist ja zu einer Lifestyle-Droge in gewisser Weise auch geworden. Und wir kennen die Engpässe, die es gibt. Dass dann zum Beispiel Menschen mit einem Typ-2-Diabetes das nicht mehr bekommen, weil die Nachfrage nicht bedient werden kann, weil sie so hoch ist, weil Menschen, die sich das leisten können, die einfach als Abnehmmittel sich selbst spritzen. Und da gibt es ja auch ganz üble Berichte von Fälschungen, was dann richtig in die Hose gegangen ist, teilweise. Das ist für mich auch wieder so der Ausdruck dessen, was Sie eben bezeichnet hatten. Bringen Sie es doch noch mal. Dass Gesundheitsversorgung immer die Falschen erreicht.
Scherer: Das Inverse Care Law. Das ist das eine. Also dass sich gut betuchte Hamburger-Liebhaber die Spritzen dann leisten können und anderen sie vielleicht nicht zugutekommen können, weil es dann keine GKV-Leistung ist. Aber im Grunde genommen schließt sich hier wieder der Kreis zum Anfang. Also in welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben? Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die die Gesunderhaltung durch wirkungsvolle Verhältnisprävention schafft? Oder wollen wir in einer Gesellschaft leben, die durch und durch medikalisiert ist?
Nößler: Das hat Herr Scherer erst mal als Frage gestellt. Vielleicht eine Sache, die schließt sich, glaube ich, zwingend zu dem Thema an. Wir haben jetzt hier über Arbeiten gesprochen, die als Endpunkte den Gewichtsverlust hatten, gemessen an Parametern. Und Sie haben die Frage selbst schon aufgeworfen und gesagt: Am Ende brauchen wir Studien, die zeigen, dass sie einen klinischen Vorteil bringen. Und jetzt sind wir wieder bei Semaglutid, was wir ja alle schon ein bisschen besser kennen. Es gibt eine Arbeit, die ist vor Weihnachten im New England Journal veröffentlicht worden. Und machen wir es kurz: Da wurden tatsächlich bei immerhin 17.600 Leuten ohne Diabetes – ganz wichtig an der Stelle – es waren Menschen, die hatten Adipositas, aber kein Diabetes, 45 Jahre und älter, bei 17.600 placebokontrolliert, randomisiert auf einen Composite-Endpunkt untersucht, nämlich letztlich kardiovaskuläre Ereignisse, inklusive Tod. Und Herr Scherer, da hat man immerhin herausgefunden, nach 34 Monaten Therapie, dass es ein Unterschied von 1,5 Prozentpunkten absolut bei den Ereignissen gibt. Also 6,5 versus 8 Prozent. Das klingt doch eigentlich erst mal nicht ganz übel, dass man da endlich auch klinisch etwas zeigen kann.
Scherer: Das hört sich hinsichtlich der Risikoreduktion erst mal ganz gut an. Aber die Frage ist dann: Was wäre die Number Needed to Treat? Wie viele müssten wir behandeln, um ein Endpunkt, ein klinisches Ereignis zu verhindern? Und was würde das kosten?
Nößler: 6,5 Prozent der Patienten unter Verum hatten ein Ereignis und 8 Prozent unter Placebo, das macht dann einfach 1,5 Prozentpunkte absolute Risikoreduktion. Und eins durch absolute Risikoreduktion macht ein NNT von 66,7.
Scherer: Wie ich Sie kenne, Herr Nößler, haben Sie bestimmt auch kurz durchgerechnet, was es kosten würde, diese Menschen dann auch zu behandeln. Also was wären die Kosten für die Behandlung, um ein Ereignis zu verhindern?
Nößler: Ach herrje. Also, jetzt müssen wir uns die Dinge merken. Was haben wir gesagt? 66,7 ist die NNT. Für einen Zeitraum von 34 Monaten, ist die Behandlung im Mittel gelaufen. Und wir reden von Menschen ohne ein Typ-2-Diabetes, aber eine Adipositas.
Scherer: Eine Adipositas, über 45 mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung.
Nößler: Dafür kommt dann, wenn wir bei Semaglutid sind, nicht mehr Ozempic zum Einsatz, sondern das ist für Menschen mit einem Diabetes. Für Menschen ohne Diabetes gibt es Wegovy. Und die 2,4 mg, die die hier pro Woche bekommen haben, glaube ich, kosten in den USA etwa 20.000 US-Dollar pro Jahr.
Scherer: Ich glaube, das reicht schon, Herr Nößler. Also 20.000 mal 3 Jahre, sagen wir mal, also 20.000 x 3 macht 60.000 x 66, richtig?
Nößler: Mal 66,7, um genau zu sein.
Scherer: Also ich glaube, die Zahl kann sich jetzt jeder selber ausrechnen. Das wären ungefähr die Kosten zur Verhinderung eines Ereignisses. Und es kommt jetzt auch nicht auf den genauen Euro an, sondern nur auf die Größenordnungen. Jetzt sind Sie kein Politiker, sondern Medizinjournalist. Aber wo würden Sie dieses Geld allozieren? In gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen?
Nößler: Also 4 Millionen Euro und wir reden nur von 67 Menschen, ne? Es sind ja mehr Menschen, die adipös sind.
Scherer: Da könnte man tatsächlich in einigen Einrichtungen des öffentlichen Lebens das Essen verbessern oder andere Maßnahmen der Gesunderhaltung und der Gesundheitsförderung mitmachen.
Nößler: Allein das „könnte“ ist schon relativ stark an dieser Stelle. Herr Scherer, ich würde fast behaupten, das ist der ideale Schlussakkord in diesem Moment gewesen. Und ich habe einen Vorschlag. Das ist jetzt auch nur quasi eine Zwischenüberschrift zum Thema Abnehmspritzen. Das wird auch weitergehen. Wir haben noch das Thema KI zum Beispiel, wir haben das Thema Methodik. Das haben wir jetzt wieder nicht mehr geschafft. Wir haben eine Stunde auf dem Zettel im Moment. Wie wäre es, wenn wir uns die anderen beiden Themen aufheben? Was halten Sie davon?
Scherer: Das ist eine gute Idee.
Nößler: Okay. Da können wir auch das Gehör unserer Hörerinnen und Hörer schonen. Herr Scherer, Schlusswort von Ihnen.
Scherer: Das mit dem Optimismus hatte ich schon im Jahresrückblick gesagt. Ich wünsche Ihnen und unseren Hörerinnen und Hörern ein gutes neues Jahr. Und ich würde mich freuen, wenn wir noch viele schöne Evidenz-Updates zusammen machen in 2024.
Nößler: Me too. In diesem Sinne. Bis zum nächsten …
Scherer: … Hashtag.
Nößler: Hashtag. Also, bis zur nächsten Episode. An Sie da draußen und Sie, Herr Scherer. Tschüss.
Scherer: Tschüss.