LSG-Urteil

Cannabis-Wirkstoff gegen extremes Untergewicht

Das Landessozialgericht Hessen verpflichtet eine Krankenkasse dazu, einem jungen Mann vorläufig die Dronabinol-Therapie zu bezahlen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann und Frank Leth Veröffentlicht:
Medizinisches Cannabis: Bei der Verordnung auf Kassenkosten kann es Ausnahmen von der Regel geben, urteilte das LSG Darmstadt.

Medizinisches Cannabis: Bei der Verordnung auf Kassenkosten kann es Ausnahmen von der Regel geben, urteilte das LSG Darmstadt.

© William Casey / stock.adobe.com

DARMSTADT. Bei einem massiven lebensbedrohlichen Untergewicht kann die gesetzliche Krankenkasse zur Kostenübernahme für eine Cannabis-Behandlung verpflichtet werden.

Auch wenn nicht nachgewiesen sei, dass für die Therapie keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht oder diese im Einzelfall nicht angewendet werden kann, könne bei Gefahren für die körperliche Unversehrtheit ausnahmsweise ein Anspruch bestehen, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt.

Im konkreten Fall ging es um einen 19-Jährigen, der seit seiner früheren Kindheit an einer seltenen Darmerkrankung leidet. Diese geht mit massiven Bauchkrämpfen und Appetitlosigkeit einher.

Wegen der Erkrankung ist der junge Mann massiv unterernährt. Bei einer Körpergröße von 1,80 Meter wiegt er nur noch 44 Kilogramm. Sein Body-Mass-Index (BMI) beträgt nur 13,6. Für Männer ist ein BMI zwischen 20 und 25 normal.

Der Hausarzt hatte dem Mann zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs eine Therapie mit Dronabinol zunächst auf Privatrezept verschrieben. Bei Dronabinol handelt es sich um den Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Wegen geringer Einkünfte konnte der Mann die Behandlung aber nicht mehr länger auf eigene Kosten bezahlen.

Zunächst Privatrezept

Die Kasse lehnte die Kostenübernahme wegen der Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis bei bereits vorliegender Suchterkrankung des Mannes ab. Im Eilverfahren verpflichtete das LSG die Kasse nun jedoch, dem Versicherten für ein Jahr die Dronabinol-Therapie zu bezahlen.

Grundsätzlich könne ein Anspruch auf eine Cannabis-Behandlung zwar nur bestehen, wenn keine andere allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsalternative zur Verfügung steht oder diese im konkreten Fall nicht angewendet werden kann. Dies sei hier noch offen und könne auch erst im Hauptverfahren geklärt werden.

Dennoch könne der Versicherte wegen seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit vorläufig die Dronabinol-Therapie auf Kassenkosten erhalten. Der Mann sei lebensbedrohlich untergewichtig. Dies müsse im Eilverfahren Vorrang vor dem Interesse einer möglichst wirtschaftlichen Behandlung haben.

Arzt bescheinigt Therapieerfolg

Der behandelnde Arzt habe zudem ausgeführt, dass die seit einigen Monaten auf Privatrezept durchgeführte Dronabinol-Behandlung zu einer Verringerung der Schmerzen und zu einer Gewichtszunahme geführt habe.

Daher sei ein Behandlungsversuch über einen längeren Zeitraum angebracht, um die Wirkung der Therapie besser beurteilen zu können, so das Gericht.

Landessozialgericht Darmstadt

Az.: L 1 KR 256/19 B ER

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