Öffentlicher Gesundheitsdienst

Wissenschaftler: Appell für eine nationale Public-Health-Strategie

Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland bei vielen Gesundheitsindikatoren nicht gut ab – trotz hoher Ausgaben. Wissenschaftler skizzieren, welche Reformen geboten wären.

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In Deutschland greifen die Zahnräder im Hinblick auf eine Public-Health-Strategie bisher nicht ausreichend ineinander.

In Deutschland greifen die Zahnräder im Hinblick auf eine Public-Health-Strategie bisher nicht ausreichend ineinander.

© alexlmx / AdobeStock

Berlin. Ein fehlendes zentrales Public Health-Institut, ein stark auf Kuration ausgerichtetes Versorgungssystem, föderal zersplitterte Zuständigkeiten und eine gravierende Unterdigitalisierung: Dies sind nur vier Erklärungsansätze dafür, warum das deutsche Gesundheitssystem in der EU zwar pro Kopf die höchsten Ausgaben aufweist, bei vielen Gesundheitsindikatoren aber hinter anderen Staaten zurückbleibt.

Wissenschaftler einer Gruppe um Professor Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) haben in einer aktuellen Studie ihre Befunde zusammengetragen (Lancet Public Health, Online, doi.org/10.1016/S2468-2667(25)00033-7). Die Konsequenzen einer unzureichenden Ausrichtung auf Prävention dokumentierte im vergangenen November auch ein OECD-Report: Erstmals liegt demnach in Deutschland die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt mit 81,2 Jahren unter dem EU-Schnitt (81,5 Jahren).

Biomedizinisch geprägte Vorstellung von Gesundheit

Das Fehlen einer starken Public Health-Institution in Deutschland könne auch ein Erklärungsansatz dafür sein, warum bisher – anders als in vielen anderen EU-Ländern – wirtschaftliche Determinanten von Gesundheit nie entschlossen angegangen worden sind: Als Beispiele nennen die Autoren fehlende hohe Steuern in Deutschland auf Alkohol oder auf stark zuckerhaltige Getränke.

Der Missbrauch des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Nazi-Zeit sei ein wesentlicher Grund dafür, warum sich nach 1945 ein stark biomedizinisch geprägtes Modell von Gesundheit hierzulande durchgesetzt hat. Das Fehlen eines „ganzheitlichen“ Verständnisses von Gesundheit zusammen mit der in Sektoren fragmentierten Versorgung seien Schlüsselfaktoren dafür gewesen, warum sich seitdem in Deutschland kein durchsetzungsstarkes, nationales Public Health-Institut etablieren konnte.

Fortsetzung des Pakts für den ÖGD wäre wichtig

Ein solches Institut zu etablieren, das von Bund und Ländern unterstützt wird, sei eine langfristige Herausforderung, um eine umfassende Public-Health-Strategie zu entwickeln, heißt es. Diese Strategie sollte zugleich Aspekte wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und gesundheitliche Chancengleichheit umfassen und über die Gesundheitspolitik auf andere Politikbereiche ausgreifen. Dies würde es auch ermöglichen, dem bisher oft erfolgreichen Lobbying durch Bauern, Lebensmittelindustrie oder Tabakhersteller besser zu begegnen.

Die Fortsetzung und der Ausbau des Pakts für Öffentlichen Gesundheitsdienst, der nach aktuellem Stand 2026 ausläuft, wäre aus Sicht der Autoren ein wichtiger Schritt in diese Richtung. (fst)

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