Anhörung im Rechtsausschuss
BÄK warnt vor falschen Hoffnungen bei Regelung zur Suizidassistenz
Der gesetzlich kontrollierte Zugang zu tödlich wirkenden Substanzen könne trotz Schutzkonzepten zum Anstieg von Suiziden führen, betont die Bundesärztekammer – und verweist auf Erfahrungen in Holland.
Veröffentlicht:Berlin. Im Zusammenhang mit der geplanten Neuregelung der Suizidassistenz hat die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt, dass alle drei vorliegenden Gesetzentwürfe das bestehende Verbot einer Tötung auf Verlangen unangetastet ließen.
Das werde von der Ärzteschaft „nachdrücklich unterstützt“, heißt es in einer Stellungnahme der Kammer zu einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags. Zu der fünfstündigen Anhörung am Montagnachmittag (28. November) sind zahlreiche Verbände und Einzelsachverständige geladen.
Regulierung der Suizidassistenz
Bischöfe besorgt über mögliche Normalisierung der Suizidhilfe
Die fraktionsoffenen Anträge unterscheiden sich inhaltlich teils stark. Während zwei Gesetzentwürfe eine Suizidassistenz mithilfe spezieller Regelungen den Zugang zu tödlich wirkenden Substanzen wie Natrium-Pentobarbital ermöglich wollen, zielt der dritte Entwurf darauf ab, die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ erneut unter Strafe zu stellen. Gegenstand der Anhörung im Rechtsausschuss ist zudem ein gruppenübergreifender Gesetzesantrag zur Stärkung der Suizidprävention.
Drei Anträge, bislang ohne Mehrheit
Die politische Debatte um die Suizidassistenz findet vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von Anfang 2020 statt. Darin hatten die Richter das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben hervorgehoben – dieses Recht umfasse auch die Freiheit, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.
Gesetzentwürfe im Überblick
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In ihrer Stellungnahme betont die Bundesärztekammer, dass die Entscheidung eines suizidwilligen Menschen, dafür Assistenz zu beanspruchen, in jedem Fall „freiverantwortlich, ernsthaft und dauerhaft“ getroffen werden müsse. Dies sicherzustellen, sei Teil aller drei Gesetzesanträge und insofern zu begrüßen, schreibt die BÄK.
Sterbehilfe im Ländervergleich
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Zugleich weist die Kammer daraufhin, dass der Zugang zu tödlich wirkenden Substanzen – trotz geplanter Schutzkonzepte – zu einem Anstieg der Zahl der Suizide führen dürfte. Daten aus den Niederlanden belegten, dass die Rate nicht-assistierter Suizide auch nach Einführung der Suizidhilfe fast gleichgeblieben und die Zahl der Suizide angestiegen sei. Somit werde es „mutmaßlich“ nicht zu der von vielen erhofften „größeren Verlagerung“ auf „humanere Formen“ des Suizids, nämlich unter Anwendung eines zugänglich gemachten Betäubungsmittels, kommen.
„Suizidassistenz keine ärztliche Aufgabe“
Entscheidend ist aus Sicht der BÄK auch, dass jedwede gesetzliche Regelung zu berücksichtigen habe, dass die Assistenz beim Suizid nicht zu den beruflichen Aufgaben eines Arztes gehöre. „Es bleibt eine freie und individuelle Entscheidung, ob sich ein Arzt in einem konkreten Einzelfall dazu entschließt, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten und an einem Suizid mitzuwirken“. Ärzte wären somit auch berechtigt, Suizidhilfe nur denen gegenüber zu leisten, die sich im Endstadium einer schweren Erkrankung befänden, so die BÄK.
Mehrere Sachverständige und Verbände begrüßen zudem, dass die Abgeordneten eine „umfassende“ gesetzliche Verankerung der Suizidprävention anstrebten. Darüber hinaus sei die Palliativversorgung mit einem „Hospiz- und Palliativgesetz II“ auszubauen, betont etwa die Hilfsorganisation Malteser.
Warnungen vor „Vergleichgültigung“
Nach Ansicht des Berliner Sozialethikers Professor Andreas Lob-Hüdepohl besteht die Dringlichkeit einer „gestärkten breitgefächerten Suizidprävention“ unabhängig von der Frage einer rechtlichen Regelung der Suizidassistenz. Der „Normalisierung des Suizids im Sinne einer emotionalen Gewöhnung und damit einer schleichenden Vergleichgültigung“ gegenüber der Lage von Menschen in suizidalen Krisen sei unbedingt entgegenzuwirken, schreibt Lob-Hüdepohl, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. (hom)